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Rundweg Weinheimer Bucht

Weinberge und Felder mit blauem Himmel - Foto von Copyright
Weinberge und Felder mit blauem Himmel

Zwischen Urmeer und Rebenmeer: Der Küstenweg in Alzey-Weinheim

Ein Küstenweg in Rheinhessen? Aber sicher doch, schließlich war das Mainzer Becken einst von einem subtropischen Meer überflutet. Das ist zwar schon 30 Millionen Jahren her, doch zahlreiche Gestein- und Fossilienfunde zeugen von einer vielfältigen Unterwasserwelt. Dort, wo heute der Wein wächst, tummelten sich früher Haie, Rochen und Seekühe. Der verbindet aktive Bewegung durch die Weinberge mit wunderschönen Ausblicken über das rheinhessische Hügelland und einer spannenden Zeitreise in die urgeschichtliche Vergangenheit der Region.

Die Weinheimer Bucht

Informationstafel Küstenweg am Strassenrand
Informationstafel Küstenweg am Strassenrand

Der Ausgangspunkt unserer heutigen Wanderung liegt an der Hauptstraße von Weinheim. Der Ort, der bis 1972 eigenständig war, ist inzwischen der größte von vier Alzeyer Stadtteilen. Bevor wir den 8,7 Kilometer langen Rundweg „Weinheimer Bucht“ antreten, treffen wir den Wegepaten Gerd Fluhr, der uns begeistert von der urzeitlichen Geschichte seiner Heimat erzählt, die Weinheim weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht hat.

Beispielsweise erinnert er sich daran, dass die geologischen Fundstellen in den örtlichen Steinbrüchen und Sandgruben für ihn als Schulkind die schönsten Spielplätze waren. 

Dort ließen sich prima Muscheln und Haifischzähne sammeln. 
Inzwischen sind die Naturdenkmäler berechtigterweise alle eingezäunt – zum Schutz der Menschen und der Geologie.

Sandsteinbrunnen in Etagen mit fliessendem Wasser
Sandsteinbrunnen in Etagen mit fliessendem Wasser

Zwischen zwei Halbinseln

Mit einem guten Überblick und wertvollen Hinweisen im Wanderrucksack geht’s los! Wir verabschieden uns von Gerd Fluhr, folgen der Küstenweg-Beschilderung in Richtung Ortsrand und biegen schließlich in die Weinberge ab. Die kleine Kapelle des Weinguts Heiligenblut aus dem 18. Jahrhundert begrüßt uns auf dem Küstenweg.

Blick über Weinbergshänge hinauf zur Kapelle Zum heiligen Blut
Blick über Weinbergshänge hinauf zur Kapelle Zum heiligen Blut

Wir gewinnen an Höhe und entdecken wenige Meter weiter einen imposanten Turm, der ebenfalls zu selbigem Weingut gehört. 
Im Hintergrund verläuft die Autobahnbrücke der A63. Gerd Fluhr scherzte noch, sie sei nur deshalb gebaut worden, damit man trockenen Fußes von einer zur anderen Halbinsel gelangen könne, sollte das Urmeer zurückkommen.

Blick auf Weinbergsturm
Blick auf Weinbergsturm

Ein "triftiger" Meeresboden

Sandsteinwand mit Ziegen davor
Sandsteinwand mit Ziegen davor

Das erste Naturdenkmal unserer Wanderung liegt am Ostende der Weinheimer Bucht und ist nicht zu übersehen.

Die Trift ist eine ehemalige Sandgrube, die sich meterhoch vor uns aufbaut. 

Die weltberühmte geologische Stätte ist ein hervorragend erhaltener Querschnitt durch den urzeitlichen Meeresboden.

Wir treten an den Zaun heran und beobachten zunächst die Ziegen, die munter auf dem Sandstein auf und ab springen.

Im Gestein können wir selbst aus einiger Entfernung tatsächlich Muscheln erkennen. Das hätten wir – als absolute Laien – nicht geglaubt!

Sandstein mit Muscheln
Sandstein mit Muscheln

An der Trift ist ein kleiner Weinberg angelegt, den die rheinhessischen Weinmajestäten höchstpersönlich pflegen. Als wir Gerd Fluhr nach seinem Lieblingsplatz auf dem Küstenweg fragten, musste er nicht lange überleben: Er sitze am liebsten bei Sonnenuntergang an der Trift, ein schönes Glas Wein in der Hand, das gehöre schließlich zum Leben dazu. Das Urmeer im Rücken und das Rebenmeer vor Augen ... .

Ausblick über die Weinberge hinunter nach Weinheim
Ausblick über die Weinberge hinunter nach Weinheim

Von der Hölle und der Kirche

Der Wanderweg führt weiter bergauf, mitten durch die rheinhessische Hügellandschaft.

Zu beiden Seiten säumen Rebstöcke unseren Weg, wir können den Trauben praktisch beim Wachsen zusehen. Weinbau hat in Weinheim eine lange Tradition und wurde im 8. Jahrhundert zum ersten Mal urkundlich erwähnt.Die Weinlagen des Ortes tragen majestätische, fast schon dramatische Namen.

Weinberge mit blauem Himmel
Weinberge mit blauem Himmel
Küstenweg Wegweiser inmitten von Weinbergen
Küstenweg Wegweiser inmitten von Weinbergen

Wir merken uns, dass wir unbedingt Weine der „Hölle“ oder vom „Heiligen Blutberg“ probieren wollen.
 Mit den vorwiegend nach Süden geneigten Hängen sind die Voraussetzungen für hohe Qualität bestens.

Inmitten der vielen Reben sticht uns eine Konstruktion sofort ins Auge. Europas erste Weinkirche steht seit 2009 in Alzey-Weinheim und ist ein geweihtes Gotteshaus aus Weinreben, die von einem filigranen, fünf Meter hohem Bambusgerüst getragen werden.

Weinkirche aus Reben mitten im Grünen
Weinkirche aus Reben mitten im Grünen
Altar der Weinkirche mit Rebendach
Altar der Weinkirche mit Rebendach

Dieser einmalige Ort ist faszinierend! Wir schreiten durch den Mittelgang der Kirche bis zum Altar, auf dem ebenfalls Pflanzen wachsen. Bis auf das Rascheln des Blätterdachs ist es hier absolut still. Wir genießen den Moment der Ruhe, bevor wir dem Küstenweg weiter folgen.

Die Welt ist meine Auster

Der nächste Abschnitt führt uns unterhalb des Steppenwäldchens „Auf dem Groß“ gen Westen.
Es ist kein Wölkchen am Himmel, aber hier oben in den Wein-bergen weht eine frische Brise, sodass wir die Wanderung und ihre traumhaften Ausblicke in vollen Zügen genießen können.

Zwei Wanderer geniessen den Ausblick über die Weinberge
Zwei Wanderer geniessen den Ausblick über die Weinberge

Nach mehreren gemütlichen Kilometern erreichen wir die Sandgrube Zeilstück am Nordwest-Ende der Weinheimer Bucht. Sie ist das zweite bedeutende Naturdenkmal des Rundwegs.

Austernpflaster inmitten der Wiese
Austernpflaster inmitten der Wiese

Wir klettern auf die Aussichtsplattform, die uns einen guten Einblick in das geschützte Geotop gewährt.
Die Sandsteinfelsen wurden durch 
die Urmeer-Brandung ausgehöhlt. Hier hat man besonders viele Austern gefunden und spricht deshalb auch vom Austernpflaster.

Eine Liege mit Meerblick

Unser nächster Anstieg hat ein sehr markantes und vielversprechendes Ziel. Mitten auf dem Hügel westlich von Alzey-Weinheim wirft eine kleine Ansammlung von Bäumen kühlenden Schatten.

Wanderweg bergauf mit Blick auf Bäume
Wanderweg bergauf mit Blick auf Bäume
Wanderliege mit Blick ins Grüne
Wanderliege mit Blick ins Grüne

Und nicht nur das! Hier oben können wir auf einer perfekt platzierten Wanderliege die Beine hochlegen und uns eine wohlverdiente Pause gönnen. Wir genießen die großartige Fernsicht über die rheinhessische Hügellandschaft und versuchen, sie uns als Meeresbucht vorzustellen - was zugegebenermaßen nicht ganz leichtfällt.

Der Haifisch, der hat Zähne

Der Wanderweg ist landschaftlich abwechslungsreich. Während er uns die erste Hälfte hauptsächlich durch die Weinberge führte, laufen wir jetzt auch durch Felder, Wiesen und lauschige Heckenabschnitte.

Wegweiser Küpstenweg im Mohnfeld
Wegweiser Küpstenweg im Mohnfeld

Wir nähern uns dem Ausgangspunkt des Küstenwegs, die Umrisse von Weinheim werden mit jedem Schritt größer. Zunächst wartet aber noch das dritte bedeutende Naturdenkmal auf unseren Besuch. An der Neumühle wurden besonders viele Haifischzähne gefunden, deswegen wird die Fundstelle auch „Hai-Society“ genannt.

 

Steine an der Fundselle Hai Society
Steine an der Fundselle Hai Society

Insgesamt konnten hier mehr als 20 Hai- und Rochenarten, zahlreiche Knochenfische und Sehkühe sowie eine bis dahin gänzlich unbekannte Meeresschildkröte nachgewiesen werden. Ziemlich beeindruckend!

Wir achten dank des Hinweises von Gerd Fluhr auf die verschiedenen Steinschichten, die an diesem Naturdenkmal besonders gut erkennbar sind. Daran merke man, welche enormen Kräfte im Laufe der Jahrmillionen hier agiert haben müssen, findet der Wegepate und wir können ihm nur zustimmen.

Mit vielen neuen erdgeschichtlichen, geologischen und landschaftlichen Eindrücken kehren wir nach Alzey-Weinheim zurück. 

Es lohnt sich, im Anschluss das Museum Alzey zu besuchen. Dort sind viele der Fundstücke der „Weinheimer Bucht“, etwa das beeindruckende Skelett der fossilen Seekuh „Elsa“, ausgestellt.